Essstörungen

Jedes Lebewesen braucht zur Sicherung des eigenen Überlebens eine regelmäßige Ernährung, wobei beim Menschen der Nahrungsaufnahme jedoch noch weitere Bedeutungen hinzufallen.

 

Essen kann etwa als Spiegel der inneren psychischen Verfassung angesehen werden, wobei eine Veränderung des Essverhaltens manchmal so groß sein kann, dass sie kein Symptom einer anderen Krankheit mehr darstellt, sondern selbst zur Krankheit wird.

Das menschliche Essverhalten wird im Gehirn von zwei Arealen beeinflusst: Das homöostatische System signalisiert, welche Energie der Körper benötigt, nachdem er Kalorien verbraucht hat, d.h., nach diesem System wird nur nach Hunger gegessen. Daneben gibt es noch einen zweiten Gehirnbereich: das hedonische System, das dafür sorgt, dass Menschen auch aus Lust, Frust oder reinem Genuss essen, wobei hierfür unter anderem Dopamin verantwortlich ist, indem es Einfluss auf das Belohnungssystem im Gehirn nimmt.

Wenn Menschen aus Lust oder Frust gegessen haben, fühlen sie sich danach besser als davor, denn sie haben sich mit dem Essen belohnt.

Für viele Menschen sind Essen und Emotionen bereits seit der Kindheit eng miteinander verknüpft, denn viele Verhaltensweisen rund um die Ernährung sind so stark verinnerlicht, dass sie durch bloße Eigenmotivation nur schwer zu verändern sind. Daher sollten wirksame Ansätze zur Behandlung etwa bei Über- oder auch Untergewicht genau hier ansetzen, denn emotionales Essen kann schnell zum gesundheitlichen Risiko werden, vor allem dann, wenn Menschen ohnehin zu Übergewicht neigen und sich dieses somit noch weiter verstärkt.

Es ist daher wichtig, die Zusammenhänge von Emotionen und Essen besser zu verstehen, vor allem im Zusammenhang mit der Vorbeugung, aber auch bei der Behandlung von Übergewicht.

Wenn Menschen lernen, die Signale ihres Körpers besser zu interpretieren, ist es eher möglich, mit anderen Entspannungsmethoden auf Stress zu reagieren, als die Anspannung mit Essen zu kompensieren.

Wenn Menschen auf psychische Belastungen mit verändertem Essverhalten reagieren, ist das noch wenig problematisch, doch wenn das veränderte Essverhalten nicht mehr vorübergehend ist, sondern fester und sogar kontrollierender Faktor des Lebens wird, hat sich eine Essstörung entwickelt.

Vorwiegend Frauen kommen in eine widersprüchliche Situation, einerseits sollen sie sich um das Wohlergehen und die Ernährung der Familie kümmern, andererseits müssen sie ständig auf ihre Linie achten, um den gesellschaftlichen Anforderungen nach Schlankheit gerecht zu werden. Anorexia nervosa und Bulimia nervosa treten häufig gemeinsam mit anderen psychiatrischen Krankheitsbildern auf (Komorbidität), darunter vor allem depressive Verstimmungen, die durch die soziale Isolierung verstärkt werden.

Das Krankheitsbild der Essstörungen zeigen meist Symptome zwanghaften Charakters wie etwa Essrituale, ständiges Kalorienzählen und Abwiegen. Zwanghafte Persönlichkeitsstörungen sind daher neben ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörungen bei Anorektiker*innen häufig, bei Bulimier*innen eher selten anzutreffen.

Quelle: Stangl, W. (2023, 28. Mai). Essstörung – Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.